Über den Jazzclub Ilmenau

Der Ilmenauer Jazzclub ist ein gemeinnütziger Verein (Mitglied der KuKo e.V.), in dem etwa zehn Aktive einen wichtigen Beitrag zum kulturellen Leben in Ilmenau leisten. Wir organisieren jährlich 10-15 Konzerte an verschiedenen Veranstaltungsorten auf dem Campus und in der Stadt. In der Tradition der AG-Jazz der Technischen Hochschule bilden dabei die Internationalen Jazztage Ilmenau als etabliertes Festival für zeitgenössischen Jazz einen Schwerpunkt. Seit den 90er Jahren engagieren wir uns darüber hinaus in der Thüringer Jazzmeile. Der Erhalt der kulturellen Vielfalt ist in unserer Region wie anderenorts ein harter Kampf um knapper werdende Fördermittel, um die dauerhafte Unterstützung durch Sponsoren, um die Gunst von Agenturen, Musikern und Publikum. Der Lohn sind wunderbare Konzertabende mit hochkarätigen Künstlern, die ohne uns in der Thüringer Provinz nicht zu erleben wären. Bei unserer oft anstrengenden aber auch spannenden Arbeit suchen wir immer Mitstreiter (was im programmatischen Kontext auch wörtlich gemeint ist), und haben gerade in Vorbereitung der Jazztage oft Studentenjobs zu vergeben. Interessenten sind herzlich eingeladen, mit uns in Kontakt zu treten!

Zur Geschichte des Jazzclubs, von den frühen 70er Jahren über die turbulenten 90er bis in die jüngere Vergangenheit entstand anlässlich der 30sten Jazztage der folgende Rückblick:

Ein halbes Leben Jazz…

Über vierzig Jahre Jazz in Ilmenau - das ist beste Kulturgeschichte Thüringens. Hinter uns: weit über 250 Konzerte. Viele Einzelkonzerte, die überaus meisten jedoch während der Jazztage. Vor uns: die 30. Ilmenauer Jazztage. Der Jazzclub Ilmenau freut sich mit allen, die in den zurückliegenden Jahren unsere Mitjazzer, Mitarbeiter, Helfer und Statisten, Gäste und Förderer waren.

image Wie kam es zu alldem? Wir erinnern uns? Das kleine Hochschulstädtchen Ilmenau stand selbstverständlich schon vor Jahrzehnten unter dem Einfluss jener „amerikanischen Hottentottenmusik“ – so genanntem Jazz. Anfang der 60er erreichte das „amerikanische Fieber“ unsere Kleinstadt. Es ist hier nicht anders als im Westdeutschland der 50er: es schießen Jazzkapellen wie Pilze aus dem Boden. Erste Konzerte werden ab ca. 1964 in der Festhalle ausgerichtet. Im Ilmenauer Ratskeller erleben wir die Veranstaltungsreihe „Jazz bei Charly“. Der Große Hörsaal der Technischen Hochschule wird Ende der 60er Hauptveranstaltungsort. Es ist sinnvoller und bequemer, am gerade entstehenden Hochschulcampus zu veranstalten. Ab 1967 spielen sich die meisten Konzerte dort ab. Die Ilmenauer Festhalle dient lediglich großen Sonderkonzerten als Bühne. Herausragendes Beispiel: Die Dutch Swing College Band aus Holland; Anfang der 70er in Ilmenau. Das damals finanziell durchaus unter „leichten Größenwahn“ zählbare Konzert kostete etwa 13.000,– Mark und spielte weniger als ein Drittel dieser Summe ein. Geld war damals aber kein so großes Problem wie es das im heutigen Sinne wäre. Für solche Fälle gab es notfalls den „großen Topf“. So legte die Gewerkschaft einfach 6.000,– Mark drauf. Ohne sich also vom finanziellen Misserfolg mit den Niederländern abschrecken zu lassen, ging es richtig zur Sache. Michael Schauer Ende der 60er und Gerd Gottlebe („Gotsche“) Anfang der 70er, waren es, die als Studenten in der AG Jazz des damaligen FDJ-Jugendclubs Jazzkonzerte in Ilmenau organisierten. Wer es nicht mehr weiß, der FDJ-Jugendclub war – 1964 gegründet – ab den 70er Jahren die einzig geduldete organisatorische Form von studentischer Kulturausübung an unserer Hochschule. Die darin stattfindende staatlich kontrollierte kulturelle Pluralität entsprach dem politischen Verständnis dieser Zeit in der DDR.

image image Die 70er Jahre waren begleitet von einem regelrechten Festival-Boom für neuen Jazz in ganz Deutschland. Ilmenau folgte diesem Trend bereits 1972. Die großen Festivals wie das Jazzfest Berlin (West) und das Deutsche Jazzfestival Frankfurt (Main) etablierten sich, doch das war erst der Anfang. 1972 startete das New Jazz Festival Moers, 1976 die Leipziger Jazztage und 1977 die Jazzbühne Berlin (Ost) - um nur einige zu nennen. Ebenfalls 1977 wurden aus den Ilmenauer Jazztagen Internationale Jazztage Ilmenau. Damals mit 5 Konzerten u.a. mit dem Urs-Voerkel-Trio aus der Schweiz. Die Geburtsstunde der Jazztage aber schlug am 21. 9.1972 mit Konzerten von Panta Rhei, dem Dresden Septett, der Old-Time-Memory-Jazzband und der Jenaer Philharmonie. Sie schlug also zum Teil auch im Takt von Swing und Dixieland. Rudenz Schramm war bereits der Leiter der AG Jazz, als wir zu den 3. Jazztagen eine programmatische Wendung hin zu Rock- und Newjazz erlebten. Dixieland wie ihn die Old-Time-Memory-Jazzband noch zwei Jahre zuvor präsentierte, sollte für immer aus dem Repertoire der Ilmenauer Jazztage verschwinden. Dafür tauchten Bands wie SOK, Media Nox oder Fusion und Namen wie Hubert Katzenbeier oder Ulrich Gumpert und Günter Sommer zunehmend in den Programmen auf. Der Wandel vollzog sich wohl mit den Generationen: weg vom symbolträchtigen Dixieland-Elb-Dampfer mit sonntäglich-bierseligem Nachkriegsfamilienvater im weißen Nylonhemd hin zur Beatgeneration mit 68er Shell-Parka, Batikhemd, Hirschhornbeutel oder Kasachenmütze – ebenfalls bierselig.

Die „Shell-Parka“ reiste nun auch gern. Unzählige Festivals provozierten das geradezu. Hauptziele waren das Jazz-Jamboree in Warschau, die Jazzbühne Berlin und natürlich – nicht zu vergessen – die Jazzwerkstatt Peitz. Warschau war mit Abstand „der Wahnsinn“ für den ja leider reisebehinderten Ostdeutschen Jazzer. Wir erlebten so in Warschau Cecile Taylor, Sun Ra, Pharoah Sanders, Carla Bley, Billy Cobham und andere. Ein Regenschirm gegen politisches Schlechtwetter war dort 1981 das Festivalsymbol. Es war das Jahr der Solidarno in Polen und der Anfang vom Ende der sozialistischen Staaten Osteuropas.

image image image Ab 1979 wurden die Ilmenauer Jazztage in Form eines dreitägigen Minifestivals durchgeführt. Kleinere und größere Konzertabende, Jazzfeten und anschließende Sessions zogen Jahr für Jahr eine große Menge Fans nach Ilmenau. Es war die Zeit, als René Theska Leiter der AG Jazz wird und es bis zur Wende 1989 bleiben sollte. Eine der fruchtbarsten Zeiten sowohl für den Jazz als auch für den Ilmenauer Kultur-Mikrokosmos begann. Ein bisschen Bohème-Stimmung in der schon leicht agonierenden DDR mag wohl auch dazu beigetragen haben, die nun überschießende Kreativität der Jazzer zu fördern. Unter anderem wurden der legendäre Jazzfasching und das Jazzcafé im bc-Studentenclub geboren. Indes die Programmgestaltung der Jazztage wurde langsam zur Gratwanderung zwischen musikalischem Anspruch und finanziellen Möglichkeiten. Immer neue Wünsche und Ideen traten hinzu. Heide Steer, Kulturwissenschaftlerin aus Leipzig und damalige Leiterin der Kulturabteilung an der TH Ilmenau und René Theska ergänzten sich darin ideal. Neben Newjazz gab es endlich auch Neue Musik in Ilmenau. Höhepunkte des avantgardistischen und freien Jazz gab es in dieser Zeit zur Genüge: Steve Lacy, Aki Takase, Alexander von Schlippenbach, Heiner Reinhardt / Carlo Inderhees, Conny Bauer / Edvard Vesala / Jay Oliver, Tadashi Endo / Joe Sachse, Aladár Pege, Zbigniew Namysłowski, Willem Breuker Kollektief… Vor völlig ausverkauftem Hause spielten Breuker und seine Männer zweieinhalb Stunden und wurden erst nach der achten Zugabe von der tobenden Menge entlassen! Spontan wurde anschließend im Club noch gemeinsam Gershwins „Porgy and Bess“ aufgeführt.

image Die Wende brachte ein wenig Turbulenzen in die Geschichte des Ilmenauer Jazz. Irgendwie war nun alles anders. Weg war die Bohème, weg der oben erwähnte „große Topf“. Die „Fratze des Kapitalismus“ wie sie dem Ostdeutschen studienhalber in marxistisch-leninistischer Theorieunterweisung immer vorgezeigt wurde, starrte uns nun leibhaftig und verführerisch an. Nicht mehr „HO“, nein „Konsum“ war plötzlich angesagt. Beliebig vielen Jazz konnte man sich reinziehen: hinfahren – anhören, weiterfahren – weiterhören. New Orleans, Montreux, Moers und dasselbe noch mal nächstes Wochenende. Scheinbar ohne Grenzen. Aber was wurde aus Ilmenau? Als der Jazzclub dort loslegen wollte, fehlte nur ein wenig von dem „neuen Geld“, um die Künstler auch angemessen bezahlen zu können. Die neuerdings notwendigen juristischen Strukturen – der Jazzclub kam jetzt im Vereins-Kleid daher – waren dem (Free-)Jazzer ein Greuel. Formulare, Anträge, Kniefälle ohne Ende. Leicht irritiert aber dennoch frohen Mutes starteten wir in die neue Zeit. Durch diese führte uns nun Michael Möller, unser neuer Vorsitzender. Zusammen mit der unermüdlichen Edith Spanknebel verdanken wir beiden, dass wir uns heute hier treffen und die 30 feiern.

image image Mit den 90ern wurde die Mannschaft des Jazzclubs deutlich kleiner, Studenten fehlten als Mitglieder, Geld wurde knapper. 1993 fielen die Jazztage sogar ganz aus. Ein Konzert mit Bill Saxton und eine Jazzfete gab es trotzdem. Eine Landesarbeitsgemeinschaft Jazz etablierte sich in Thüringen und mit ihr begann die Hoffnung auf so genannte Fördergelder. Dieses bislang in Ostdeutschland unbekannte Wort beschäftigte uns fortan bis wir herausfanden, dass der Förderwille des Landes Thüringen sich in der Thüringer Jazzmeile erschöpfte und dem Ilmenauer Individualismus par tout nicht folgen wollte. Die Idee Jazzmeile – einfach Jazz gleichzeitig in vielen Städten: Weimar, Jena, Altenburg, Sonneberg, Arnstadt, Ilmenau, Nordhausen, Gera, Erfurt, Eisenach, Mühlhausen – mündet nun zum zehnten Mal im alljährlich herbstlichen Jazzmarathon, einem fetten Jazzangebot, welches es ob seiner Veranstaltungsdichte schwierig macht, Schritt zu halten. Der Jazzclub Ilmenau setzte indes auf das jazzarme Frühjahr. Das Thüringer Publikum – frei von herbstlicher Auswahlpanik wie sie die Jazzmeile bietet – honorierte im Gegenzug Jahr für Jahr die Qualität des Ilmenauer Programms: Dietmar Diesner, Rabbih Abou-Khalil, Barbara Dennerlein, Trevor Watts Moiré Music, Andreas Altenfelder, Abraham Burton, Christof Lauer, Mal Waldron, David Moss, Wladimir Tarasov, Planet Blow, Kölner Saxophonmafia, Baby Sommer, Nicolas Simion, Resümee gefällig?

In Ilmenau lebt und überlebte eines der innovativsten Festivals der Thüringer Jazzlandschaft, das wohl kaum fürchten muss, sein eigenes Profil zu verlieren. „Konkurrenz“ haben wir inzwischen eine Menge in Thüringen. Doch wir konnten unser Publikum vor allem immer mit programmatischer Qualität überzeugen! Wenn am Samstag der 30. Jazztage Pierre Dørge mit dem New Jungle Orchestra auf der Ilmenauer Hörsaalbühne stehen wird, erfüllt sich für viele ein lang gehegter Wunsch, und ein schöner Jamboree-Schauer wird manchen überkommen. Ein Schauer, der allenfalls tief genug sein sollte, dass sich unsere Wege zu den 40. oder 50. Ilmenauer Jazztagen im Großen Hörsaal wiederum kreuzen werden.

Klaus-Dieter Fritz